Vortrag \ Paul Hegarty – Noise Consumption: The Question of How Much is Enough

Vortrag am 25.06.2016 in der Schwankhalle, Bremen

Noise ist nicht mehr, was es einmal war. Zumindest sagt man uns das. Hatten wir genug? Zu viel? Kann man zu viel haben, kann man genug haben? Kann man satt sein, befriedigt, oder muss man sich weiter vollfressen? Wie viel braucht IHR um voll davon zu sein? Wie sehr wollt ihr es für euch selbst nehmen um es zu konsumieren, damit ihr das Gefühl habt, es den anderen weggenommen zu haben? Gibt es einen Moment, als ein Individuum, Subjekt oder als Gesellschaft, als Teil der Masse, in dem eine Fülle von Noise erreicht wurde? Vielleicht war es zu bitter, zu reichhaltig, zu scharf, zu trocken, zu ernst, zu viel Spaß und man hat angefangen sich Sorgen zu machen, während man es in sich hinein schaufelte. Vielleicht möchte man eine Entgiftung, eine Darmspülung. Es ist Zeit sauber zu werden – was hat man sich eigentlich gedacht, Gott sei dank ist es vorbei, mir ist schlecht und ich schäme mich. Habe ich wirklich geglaubt Noise wäre cool, revolutionär, draußen, drinnen, gefährlich, exzessiv, subversiv, transgressiv und sogar paradigmatisch schmackhaft? Habt ihr wirklich geglaubt, es sei ein Allheil- oder Abführmittel, oder eine Krankheit, die die Konsumgesellschaft auf Abstand hält? Nun, wenn ihr jemals darüber nachgedacht habt, was Noise ist und warum man es mag, es schätzt und danach sucht, dann wird euch irgendwer erzählen es sei falsch, man soll darüber wegkommen und mit diesem kindischen Nonsens aufhören. Wir sind jetzt alle abgefüllt und müssen uns ins Raucherzimmer zurückziehen, während wir unsere Hosen wieder anziehen. Das Zimmer wird mit Korrektiven abgespritzt, einer neuen Disziplin der Furcht. Noise erreicht uns aufgeladen: Einerseits negativ – Verlust von Bedeutung, Schmerz, Verwirrung, Zweifel, Unsicherheit; andererseits gibt es eine Wendung dieser Verkehrtheit in eine Positivität, die „sauberen“ Noise in die Welt bringt, sie sicher macht: Noise kann von Verkehrtheit zu Rebellion wechseln, von Verkehrtheit zu Normalität, vom Fremden zum Vertrauten. Es bietet die Möglichkeit eines freudvollen Selbstverlustes. Noch positiver gewendet kann Noise selbst zu einer Sache werden, womit nicht das kantische Ding an sich gemeint ist, ich denke hier eher an den Moment, in dem Noise zu einer Quelle der Kreativität wird, zu einer neuen Grundlage. Abseits von Personengruppen, die über Noise nachdenken und sich wundern, ob so ein Ding überhaupt möglich ist, beginnt Noise Wert zu akkumulieren und zwischen seiner Auf- und Abwertung wird es zu einer umkämpften Ware: Zu haben, zur Versteigerung freigegeben. So viele Leute wollen etwas davon und indem sie sich nehmen was sie wollen, versuchen sie den Noise zu entwerten, den jemand anderes gehamstert hat…

Aus diesem Grund möchte ich an das abwertende der Negativität erinnern. Negativität ist nicht Schlechtigkeit, sie ist eine Deklaration nihilistisch-relationaler Verbundenheit. Niemals schreibt sie Noise eine Dingheit zu, sie bleibt außerhalb eines Moments, der unweigerlich klassifiziert werden wird, so dass Noise immer nur potentiell geschehen kann, fast niemals anwesend ist. Das zur-Ware-werden von Noise als symbolisches kulturelles Kapital, als Material mit einem finanziellen oder fetischistischen Objektstatus, das besessen werden kann, hat Noise-Musik hinter sich gelassen – als würde man sich schämen, das sein nobler Anspruch auf soziale Dissidenz durch einen Ausbruch von Dissonanzen begrenzt wird. Wir müssen uns irgendwie darum sorgen oder dagegen wenden. Es gibt ein weit verbreitetes Missverständnis, dass eine Art gentrifizierter Noise überwunden werden muss und es ist dieses erbärmliche Begehren, Noise zu überwinden, über das wir heute nachdenken müssen.

Selbst wenn Noise nirgends hinführt ist es ein Nirgendwo, oder ein auf der Stelle bleiben, das selbst diagnostisch ist.

Selbst wenn Noise nirgends hinführt ist es ein Nirgendwo, oder ein auf der Stelle bleiben, das selbst diagnostisch ist. Also – wie wurden wir so satt, dass wir bloß noch sehnsuchtsvoll in die leeren Plattenläden schauen können, auf die inaktiven Musikvertriebe, gehorsam mit verschränkten Armen zu den letzten übriggebliebenen Veranstaltungsorten schlurfen und mit unserem globalen Freundeskreis chatten in den Postökonomien internetbasierter Musik, die den Weg für das Ende bezahlter Arbeit ebnete, während wir in gesättigten Farben von einer glorreichen Zeit träumen, in der die Zukunft Noise war? Denn Noise hat nicht aufgehört. Noise-Musik hat weder die Idee von Noise noch die Praxis des Avantgarde-Schocks ruiniert. Noise ist nicht zu einem traurigen Rückzugsort für den „Solo Sex Man“ geworden. Nun… vielleicht doch, aber was sich beobachten lässt ist eine Art von Erleichterung darüber, dass Noise in gewisser Weise vorbei ist. Während die Eile, mit der von Musik, von Noise an der Stelle von Musik, weg gedacht wird, eine Massenflucht auslöst, hin zu dem sicheren Orten von Sound Studies, Sound-Philosophie und Audio-Culture einerseits, zurück zu richtiger Musik, die Noise irgendwie beinhaltet andererseits und nicht zuletzt hin zu dem tragischen Schicksal des Experten, der „alles schon gehört“ hat. Um also zu beginnen: eine Weise in der wir satt wurden, oder übersättigt mit Noise, ist durch eine Art Abjektion, die ein Bedürfnis zur Gegenwehr ausgelöst hat. Trotz all des Geredes darüber, dass sich Ohren nicht schließen lassen oder dass es niemals Stille gibt, ist es die Ingestion von Noise, die Sorgen bereitet – Konsumtion ohne Verarbeitung.

In den letzten Jahren waren Autoren eifrig damit beschäftigt, sich von Ideen über Noise zu distanzieren, die zu sehr mit dem Bereich von Musikproduktion verknüpft sind, zu sehr etwas verpflichtet, das „Noise-Musik“ genannt wird. Ich denke, dass die Bewegung weg von Noise-Musik als Gedankenexperiment oder als Erfahrung sich daraus ergibt, dass sich viele Leute davor fürchten, sich in einem Bereich der „letzten Musik“ aufzuhalten und lieber den endlos verjüngenden und befreienden Traum eines sublimierten Noise befördern – genau der Fehler, über den George Bataille sprach, als er den Surrealisten vorwarf sie glaubten, dass der Marquis de Sade ein glückliches Sexleben für uns alle gewollt habe. Darüber hinaus gibt es die Idee, dass Sound oder Noise auf einer breiteren Grundlage als in dem Kontext eines sehr spezifischen Sets musikalischer Performance gedacht werden müsste (Frances Dyson z.B. wünscht sich, es gäbe keinen anderen Noise als den Lärm der Rebellion). Andere verfolgen die Idee, dass vielleicht Soundart und Sound-Theorie Klänge erforschen können, wo es keinen Klang gibt – ein Ort der bestimmt sicher vor Noise ist, in einer liebevoll-perversen Parodie der Hippie-Träume der Klangökologie. Und ALL DIESE Insider-Zurückweisung von Noise als Ereignis an der Stelle von Musik, während die Fans wahrscheinlich denken, dass es sowieso heuchlerisch ist, über Noise zu reflektieren. Also haben wir auf der einen Seite Leute die behaupten, man wäre zu weit gegangen und auf der anderen jene die sagen, man hätte überhaupt nie irgendwo hingehen sollen: „Sei still und lass es geschehen!“ Es wird enger, und an Stelle einer Super-Sättigung erfahren wir eine Ablehnung von Noise, die häufig sehr interessant ist, aber auch ein tiefer gehendes Übel offenbart, nämlich in der Aufrechterhaltung von sich selbst verstärkenden Eliten, die einen beständigen Zustrom von Zeug benötigen, das sie als erste entdecken können, über das sie als erste schreiben oder als Sound produzieren können – um dann zu sagen „DU hast es nicht als erster gemacht. Und jetzt ist es sowieso vorbei.“ Noise ist in einem Kreislauf von Hoffnung und Enttäuschung gefangen, von Hunger und Erbrechen. Kritiker von so etwas wie Noise-Musik sind größtenteils in dem gleichen Narrativ angekommen wie jenem, dass Simon Reynolds 1990 in seinem Buch Blissed Out über Ekstase und Popmusik produziert hat. Er schreibt: „die Rhetoriker von Noise [also Leute wie ich] zerstören genau die Kraft, die sie zelebrieren wollen“ (Blissed Out, S. 58) – es ist wirklich schwer zu zerstören, egal wie sehr man es versucht… Hier ist das Modell: Erstens – hier ist eine frische, lärmige Musik. Zweitens – hier steht, warum sie nur eine bemühte Version dessen ist, wonach du wirklich suchst und nun, seht her!, drittens – hier ist richtiger Noise, in einer Form die dafür gelobt wird, wirklich mehr noisy zu sein als dieser grässliche Harsh Noise-Kram, der das Ganze zu wörtlich nimmt, dieser richtige Noise ist auf jeden Fall nicht die Musik, die du magst. Was Reynolds in seinem Essay von 1990 tut, ist, sich durch die Zeit als eine territorialisierende Schablone zu bewegen, auf der Suche nach einer ekstatischen Konsumtion, in Trauer über ihren Verlust – entweder ausgelöst durch Kommerzialisierung oder ein „Zu-Wörtlich-Nehmen“ – um diese Sorgen dann durch eine Ausschließung eben dieser Sorgen zu überwinden. Das ist niemals passiert, also kann ich es auch nicht vermissen. Oder, in einer leichten Abwandlung – „das war großartig, ich werde es nie wieder haben, also werde ich den Anderen meine Überlegenheit als Fan aufzwingen, damit sie es auch nicht haben können.“ In dieser melancholischen Figur liegt ein ernsthafterer Punkt, nämlich die Aufrechterhaltung einer subjektiven Reaktion auf Noise (in welcher Form auch immer) als etwas Übertragbares: Jetzt denke oder entscheide ich, was alle Anderen auch denken müssen. Wie Jarrys Pére Ubu will der geschmackssichere Noise-Liebhaber alles in sich aufnehmen. Ich konsumiere, damit du es nicht kannst, ich habe konsumiert und nun betrauere ich meinen verlorene Einverleibung (aber ich bin immer noch besser als du). Die Zurückweisung von Noise-Musik ist eine tragische Notwendigkeit, welche diese heroische Figur vollbracht hat und alles, was in diese langsam erstarrenden Haut hineinkam, ist darin gefangen (und füllt diese Person mit einer leichten Übelkeit). Manches von dieser Sattheit als einer Art abjekten Reaktion oder Abjektion wäre es wert, detaillierter betrachtet zu werden, aber zuerst sollten wir diese Fülle oder Sattheit identifizieren, die vielleicht für viele das Gefühl rechtfertigt, es hätte genug Noise gegeben. Ich beziehe mich natürlich auf Harsh Noise Wall (ich glaube nach heute Abend werde ich nie wieder darüber sprechen, außer ich höre niemals damit auf – es könnte sein, dass ich das jedes mal sage, wenn ich darüber spreche).

Alle Macher von Harsh Noise Wall sind Fans von japanischem Noise, aber was hier neu und radikal verschieden ist, ist die Zurückweisung einer konstanten Kontingenz für einen Zustand der permanenten Ausnahme.

Alle Macher von Harsh Noise Wall sind Fans von japanischem Noise, aber was hier neu und radikal verschieden ist, ist die Zurückweisung einer konstanten Kontingenz für einen Zustand der permanenten Ausnahme. [Hörbeispiel Merzbow/Vomir] Als ich 2001 das erste Mal über Noise und Fülle/Sattheit schrieb, versuchte ich die infiltrierende Kapazität von Noise einzufangen, eine Festigkeit, die sich trotz kritischer Barrieren aufbaut, die ein Hörer, eine Öffentlichkeit oder eine Gesellschaft haben könnte. Ich dachte über Noise als etwas, dass den Hörer überwältigt, das aber bald vergehen würde, in einer nihilistischen Auffassung des kantischen Erhabenen. Das ist heute genauso wahr wie damals… Aber es gibt Theorien, es gibt Modellierungen der Welt, es gibt eine kategorische Operativität die jene, die bei einer Noise-Performance anwesend sind, mit ihrer eigenen Abwesenheit anfüllt. Diese Fülle der Erfahrung hat immer noch etwas für sich. Seit dem Beginn des Jahrhunderts gibt es eine fortschreitende Kommodifizierung von Noise in jeglicher Hinsicht – ein symbolisches Kapital der Extreme, Sammlerkapital, Gedankenkapital – in dem Maße, in dem sich die Konsumtion normalisierte, wurde Noise zu einem Genre, ob es uns gefällt oder nicht. Wenn man Noise irgendwo recherchiert, findet man Leute die endlos darüber theoretisieren, philosophieren und Unsinn reden. Wie bei aller Antikunst ist Erfolg ein Fehlschlag – und ich meine das nicht auf eine dekonstruktive Weise – die Ausbreitung von Noise als einer Idee in den Mainstream, eine Aufmerksamkeit für Noise-Musik, einfacher Zugang zu Aufnahmen, bedeutet offensichtlich, dass jegliche radikale Aufladung normalisiert wird. Das sollte uns nicht überraschen: falls sich Noise von anderen Formen von Genres unterscheidet, dann erzählt uns seine Normalisierung viel über jeden anderen, „authentischen“ neuen Stil, der sich in irgendeiner Art und Weise ausverkauft. Es ist sehr interessant wenn es scheitert. Aber die Normalisierung einer Form von Noise – „Noise-Musik“, ist weit davon entfernt, das Ende von Noise zu sein. Eine Unruhe oder Störung ist vielleicht die einzige ontologische Notwendigkeit – und auf eine zahme Art wird es wohl immer überraschende experimentelle Kunst geben, aber „nach Noise“ zu sein ist viel interessanter, als damit fertig zu sein.

Harsh Noise Wall bringt uns also zu einem Moment „nach Noise“. Die Sachen des französischen Künstlers Vomir sind nach Noise, sie versuchen Noise aufhören zu lassen, auf einem Weg der selber Noise verwendet. In gewisser Hinsicht ist das das Ende von Noise, das Ende der Musik – der endültige Klang. [Hörbeispiel Vomir] Diese Perspektive ist zu langweilig um sie ernsthaft zu verfolgen, aber eine Passage, die der Hörer durchqueren muss. Viel interessanter ist die Aussicht, dass Harsh Noise Wall ein Ende ist, das ein Weiterleben im Ende impliziert. Auf einer zeitlichen Basis ist es ein Zeichen der Vervollständigung, mit Noise gesättigt zu sein, und es ist einer der letzten Klänge, auch wenn er nicht am Ende der Geschichte stattfindet. In dieser Hinsicht ist es wie alle Avantgarden – keine von ihnen imaginierte sich als ein Zwischenhalt auf dem Weg zur nächsten Bewegung. Alle operierten sie als Endpunkte, Auto-Manifeste der Überschreitung von allem, was zuvor geschehen war, so dass nichts mehr nach ihnen kommen musste. Und natürlich ist diese Sache, die wir Noise-Musik nennen, aus den 80ern und 90ern, wie alle Avantgarden – es wird nicht der letzte Sound sein, es wird immer noch einen geben, einen letzten Sound + 1, der, falls er „noisy“ ist, auch die Hoffnung von Deleuze und Guattari auf ein n-1 respektieren wird. Der letzte Sound minus Eins, minus der letzte sein. […]

Noise ist größer als das Ganze, während es natürlich nur ein Teil des Schalls ist und indem es das Ganze überwältigt (oder jeden Teil des Schalls) wird es nicht mehr, sondern weniger: Weniger als Noise, weniger als die Fülle. Wenn Noise geschieht, macht es sich selbst ungeschehen – hören wir noch ein wenig davon… [Hörbeispiel Vomir] … also ist es weder das Ganze noch ein Teil, weil es daran scheitert, das Eine oder das Andere zu sein. Denn es versucht mehr als das Ganze zu sein, während es aber nur ein kleiner Teil ist, der ins Sein kommt und dann verschwindet. Es lässt sich „nicht mehr einlösen“, es entzieht Wert, anstatt welchen hinzuzufügen. Harsh Noise theoretisiert die Welt auf eine ähnliche Weise: es bietet eine Fülle an, die die akustische Vielfältigkeit blockiert, die der sensible Hörer so sehr liebt – also, hören wir uns einen Auszug aus 4’33“ von John Cage an: – [kurze Stille] Harsh Noise sagt: „Nein! Scheiße, hör auf, hör dir das an, du hast keine Wahl!“ [Hörbeispiel Vomir] Während Noise fortschreitet, versucht es den Fortschritt anzuhalten. Vomir versucht, überhaupt keine Entwicklung zu haben, nichts, woran man sich festhalten könnte. Harsh Noise bietet eine absichtliche Begrenzung an: es wird zu einem Überbleibsel, einem Stück Müll. Wenn wir so darüber nachdenken, so können wir uns endlich Noise vorstellen, der versucht alles zu überwinden, eine Umkehrung der Plattitüde von einer „Welt voll von Klängen“ hin zu einer rigorosen Entleerung des Schauplatzes des Hörens. Also funktioniert es vielleicht für eine Erfahrung von Kunst, aber bestimmt ist es danach leer, bestimmt ist es nur ein Trick – nur mehr vom immer gleichen. Wir sind zu sehr damit angefüllt und weisen es zurück. Tatsächlich tun das Viele – der Hörer tritt nicht nur in eine psychologische Interaktion damit, sondern (und so habe ich versucht zu argumentieren) versucht es zu bewältigen, es wieder in die Sphäre von Bedeutung zurückzuholen, es zu kontrollieren, es zu einer Ware zu machen, es abzuschließen. In dieser Situation hier kontrolliere ich es, indem ich kleine Stücke davon nehme, so viel, wie mir gerade passt. Alles was wir tun geht in die Falle, diesem Lärm eine Falle stellen zu wollen. Das macht es schön, das unterscheidet es von unseren Versuchen, es zu kontrollieren. Aber es ist Noise, der nicht aufhören kann.

Es steht keine Absicht hinter dem Anfang oder Ende dieser Stücke. Es ist nicht das Ende, es hat kein Ziel und trotzdem bewegt es sich weiter. Es ist eine Art Parodie von Entwicklung. Dies ist letztlich der Punkt, an dem Noise die Ware von allem Sinn entkleiden kann.

Es steht keine Absicht hinter dem Anfang oder Ende dieser Stücke. Es ist nicht das Ende, es hat kein Ziel und trotzdem bewegt es sich weiter. Es ist eine Art Parodie von Entwicklung. Dies ist letztlich der Punkt, an dem Noise die Ware von allem Sinn entkleiden kann. Ein Künstler wie Vomir bietet Stücke mit verschiedenen Covern und Titeln an, die scheinbar alle die gleichen sind, genau wegen der Verdichtung und Komplexität von Schall in seinen Arbeiten. So wird die Tätigkeit des Sammelns, sogar das Durchhören wie hier, entwertet und Harsh Noise fegt die letzten Überreste sammelbarer Fetischobjekte weg. Da das einzige, was sie unterscheidet, die Audioqualität der jeweiligen CD oder Kassette (und noch wichtiger ihre jeweilige Abspiellänge) ist, werden alle Vorstellungen davon, ein Ablauf von Zeit einzurahmen und zu benennen, wie Cage es getan hat um damit ein Hören der Welt geschehen zu lassen, enthüllt, verschlungen und verlieren sich in den Falten von Harsh Noise-Fett. Sowohl die akustische Fülle als auch die Hoffnung auf unendlichen Noise verhalten sich wie der Glaube an endloses ökonomisches Wachstum – sehr viel schwieriger ist die Aussicht das Noise eine Verminderung ist – eine permanente Reduktion, kein Niederreißen, sondern die Reduktion, an einem Punkt zu sein. Mit Harsh Noise in dieser „Wand-Form“ begegnen wir keinem Lärm der anfüllt, der seine Hörer mit politischer, moralischer oder ästhetischer Hoffnung bereichert und nährt. Wall Noise ist ein erstickender Schlamm, ein viskoses Auffüllen von Durchgängen, das die Kapazität für andere Klänge abtötet. In einem kosmischeren Modell ist es ein spätentropisches System. In diesem System wird eine ansteigende Gleichheit zur Norm, während der Hitze- Informationsaustausch sinkt, und alles was bleibt sind gleichabständige Partikel in unendlicher Ausdehnung. Ein niemals aufhörender Untergang. Aber wir werden nichts mehr über diese Ausdehnung wissen, wir werden in einem kleinen, kreisenden Teil davon gefangen sein. Ein endloser Verfall, von dem wir vage wissen, dass er Teil von etwas Größerem sein könnte. Letztendlich stillt Harsh Noise Wall den Hunger nach immer mehr tauschbarer Erfahrung und Expertise und seltenen Schallplatten. Was natürlich bedeutet, dass es trotzdem niemals genug geben wird.


Paul Hegarty: Noise Music – A History

Übersetzung aus dem Englischen: David Wallraf
© bei dem Autor